Energieverbrauch während der Coronakrise

Mehr Sonnenstrom, weniger Verbrauch

Von Katharina Lehmann · 2020

Die Corona-Krise wirbelt den Energiemarkt durcheinander. Der Stromverbrauch ist deutlich zurückgegangen, die Erneuerbaren Energien decken einen außergewöhnlich hohen Anteil am Stromverbrauch. Das stellt Versorger und Produzenten vor Herausforderungen.

Photovoltaikanlage vor einem Sonnenuntergang
Das schöne Wetter sorgt für ein Plus an grünem Strom. Foto: iStock / Andree_Nery

Wochenlang standen die Fabriken still, viele werden auch in den kommenden Wochen nur mit halber Kraft laufen. Denn die Corona-Krise zwingt viele Unternehmen, ihre Produktion herunterzuschrauben. Nachfrage und Absatz sind weggebrochen. Das merken auch die Energieversorger: Die Stromnachfrage großer Industrie-
unternehmen sank im März und April um 80 bis 90 Prozent. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der gesamte deutsche Stromverbrauch Anfang April um rund neun Prozent niedriger als noch Anfang März, bevor die Bundesregierung die harten Pandemiemaßnahmen verordnete. Die Nachfrage an einem Montagmittag, an dem die Last für gewöhnlich besonders hoch ist, liegt derzeit mit 64 Gigawatt vier Gigawatt niedriger als Anfang März.

Der Effekt mag gering erscheinen, ist aber beträchtlich: Denn die Stromnachfrage ist für gewöhnlich sehr stabil – auf Konjunkturschwankungen reagiert sie kaum. „Der Energieverbrauch bei Industrie und Gewerbe geht spürbar zurück“, konstatierte auch Johannes Teyssen, Vorstand des Energieunternehmens E.on, Anfang April. Aus diesem Grund erwartet er „sichtbare Spuren“ in der Bilanz. Zwar legte im Gegenzug der Energieverbrauch der Privathaushalte leicht zu, der Effekt schlägt aber kaum zu Buche, weil die Steigerung des heimischen Verbrauchs nicht mit dem Energiebedarf von Fabriken und Produktionsstätten mithalten kann.

Sonne steigert Stromangebot

Gleichzeitig stieg in den vergangenen Wochen zudem die Menge des produzierten Stroms. Grund ist das schöne Wetter. Die Solaranlagen liefern jeden Mittag kräftig Strom – und das nicht nur an Werktagen, auch an den sonnigen Wochenenden der vergangenen Wochen überschritt das Angebot regelmäßig die Nachfrage. „Mit der hohen Einspeisung von Solarstrom führt das wegen Corona zu negativen Preisen zur Mittagszeit an Sonntagen“, erläutert Tobias Federico, Geschäftsführer des Berliner Analyse- und Beratungsunternehmens Energy Brainpool. 

Coronakrise: Chance für die Erneuerbaren

Der BDEW sieht in der Krise aber auch gleichzeitig eine Chance, den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben. Schon in den ersten drei Monaten dieses Jahres hatten die Erneuerbaren Energieträger erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt. So wurden von Januar bis März im Durchschnitt rund 52 Prozent des Verbrauchs mit Wind, Sonne, Wasserkraft und anderen regenerativen Energieträgern erzeugt, zeigen Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des BDEW. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttoinlandsstromverbrauch nur rund 44 Prozent betragen.

Diesen Anteil will der BDEW weiter ausbauen. „Wir wollen weiter investieren in eine sichere und immer nachhaltigere Energiewelt. Dafür muss die Politik Impulse setzen und Hemmnisse aus dem Weg räumen“, erklärt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Für den vor diesem Hintergrund notwendigen konjunkturellen Anschub für die Energiewirtschaft sei es kurzfristig erforderlich, Hemmnisse beim Ausbau Erneuerbarer abzubauen, den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern weiter zu verfolgen, der Wärmewende einen klaren Rahmen zu geben, Investitionen in Gebäudesanierung, in Wasserstofftechnologien, in Elektromobilität und in intelligente Netze zu sichern. Kurzfristig müsse auch der Strompreis von Abgaben und Umlagen entlastet werden – damit werden nicht nur die Verbraucher entlastet, sondern auch neue Technologien ökonomisch angereizt.

Stromproduktion im Gleichgewicht

Um stabil und ausfallsicher zu laufen, brauchen die Energienetze ein Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage. Ist zu wenig oder auch zu viel Strom im Netz, drohen Blackouts. In Zeiten, in denen nicht nur das Stromangebot aufgrund der Zunahme schwankungsintensiver Stromerzeuger aus Sonne und Wind steigt, sondern auch die Stromabnahme nicht mehr vorhersehbar ist, bringt dieser Lastausgleich Netz- und Kraftwerksbetreiber unter Druck. Denn bisher gibt es kaum Möglichkeiten, überschüssigen Strom zu speichern. Produzenten, die ihre Kapazitäten nicht rechtzeitig drosseln, müssen den Strom mit negativen Preisen in den Markt drücken, damit andere ihre Kapazitäten anpassen. So gab es im laufenden Jahr bereits 133 Stunden mit negativen Strompreisen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 waren es 211 Stunden – ein Rekord, der dieses Jahr mit Leichtigkeit übertroffen werden könnte.

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